Mein Seenot-Erlebnis

Durch Wagemut und Selbstüberschätzung sind ein Freund und ich damals fast ums Leben gekommen.

Bevor wir herausgefischt wurden, waren wir fast 6 Stunden im offenen aufgewühlten Meer geschwommen.

Dabei haben wir unsere Schmerzgrenzen mehrfach überschritten und sind mehrfach fast ertrunken.

Diese Geschichte ist für mich eine Analogie zum Leben insgesamt.

Das Leben ist manchmal unberechenbar – genau wie Strömungen im Meer.

Phasenweise geht es auf und ab. Man wird manchmal umhergeschubst. Treibt ab und kommt woanders wieder heraus als da, wo man hinwollte.

Manchmal ist man im Leben auch so hoffnungslos und ohne Orientierung, wie ich es im offenen Meer war.

Als ich damals gerade dabei war zu ertrinken, habe ich mit absoluter Gewissheit eine Erfahrung gesammelt, die über meine biophysikalische Existenz hinausgeht.

Ich war mit einem Freund beim Schnorcheln an einem Riff in Lebensgefahr geraten.

Durch eine gefährliche Strömung sind wir ins offene Meer abgetrieben. Mehrfach bestand für jeden von uns die Gefahr zu ertrinken.

Obwohl ich unter Volllast kraulte, merkte ich irgendwann plötzlich, wie die Anstrengung nachließ und ich mich wieder relativ wohlfühlte.

Ich dachte: „Wow, so kann ich unbegrenzt weiterschwimmen.“

In meinem Kopf war auf einmal vollkommene Klarheit.

Ich war vollkommen präsent und bewusst in der Gegenwart.

Beim Blick in die Tiefe erschrak ich jedoch fürchterlich.

Dieses Mal nicht wegen eines Hais.

Ich bemerkte, dass ich bewegungslos ein Stück unter der Wasseroberfläche war. Wie konnte das sein?

Für den Bruchteil einer Sekunde war ich perplex. Erschrocken atmete ich heftig und tief ein.

Das war fatal, denn der Schnorchel war ja unter Wasser. Meine Lungen wurden mit viel
Salzwasser geflutet.

Ich wollte gleichzeitig husten und einatmen. Dadurch atmete ich noch
mehr Salzwasser tief in die Lungen.

Mal war ich kurz oberhalb der Wasseroberfläche, dann wieder unterhalb.

Mein Körper rang mit aller Kraft nach Atemluft und saugte dabei wiederholt Salzwasser und
selbst Erbrochenes tief in die Lungen, was Husten und Brechreiz verstärkte. Die Schmerzen in
der Brust waren fatal.

Schlagartig wurde mir klar, dass ich da nicht mehr lebend herauskommen würde.

Ich war in diesem Teufelskreis gefangen.

Eine unglaubliche Wut flutete regelrecht meinen Körper. Wäre ich vorhin einfach nur
weitergeschwommen und nicht erschrocken – das war ungefähr der Gedanke.

Dabei erinnerte ich mich an das unbeschreibliche Gefühl, mit dem ich unbegrenzt hätte
weiterschwimmen können.

Mit diesem Gefühl wollte ich sterben und nicht mit diesen Höllenqualen, das war in diesem Moment meine Entscheidung.

Daran, dass ich sterben würde, hatte ich in diesem Augenblick nicht den geringsten Zweifel.

Die Frage war nur, auf welche Weise.

Durch diese Entscheidung habe ich wohl die Kontrolle zurückgewonnen und konnte mich noch einmal aus dieser Ertrinken-Spirale befreien.

Irgendwann konnte ich wieder atmen und mich an der Wasseroberfläche halten.

Wenige Meter neben mir war die ganze Zeit mein Kamerad.

Aber aufgrund der Wellen, der Strömung und der vollständigen Erschöpfung konnte er nichts tun, als zu hoffen, dass ich irgendwie die Kurve kriege.

Als ich mich im Griff hatte, zeigte ich ihm mit Daumen und Zeigefinger das „O“ für „OK!“.

Dann schwammen wir weiter und ich hatte ein klares Ziel vor Augen: den mentalen Zustand, unbegrenzt weiterschwimmen zu können.

Es gelang mir, diesen mentalen Zustand zu reaktivieren.

Ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran, wie diese Sache ausgehen würde, und fokussierte mich auf diesen mentalen Zustand.

Nach 5 1⁄2 Stunden Schwimmen im aufgewühlten Meer wurden wir dann aber doch durch Zufall gerettet.

Nach dem Fast-Ertrinken war ich mit der ganzen Aufmerksamkeit zu 100 % im Hier und Jetzt – so wie unmittelbar davor, als ich unbegrenzt weiterschwimmen wollte.

Auf dieses „im Jetzt sein“ hatte ich mich voll fokussiert. Ich hatte keine Angst mehr und machte mir über absolut nichts Gedanken.

Zeit spielte keine Rolle mehr.Die Anstrengung und Erschöpfung kehrten nicht mehr in meinen Körper zurück.

Erst als das Rettungsboot schon recht nahe war, wurde es nochmals brenzlig.

Ich hatte nur noch 20 Meter zu schwimmen, dann machte es klick und die Kraft war weg.

Diese 20 Meter waren verdammt lang und verdammt hart.

Bis zum Schreiben dieser Zeilen sind seither fast 35 Jahre vergangen. Seit Jahrzehnten frage ich mich, was da genau passiert ist.

Wie konnte es sein, dass ich in einem Moment bei vollem Bewusstsein und vollkommen klar im Kopf war und kurz darauf realisierte, dass mein Körper den laufenden Betrieb eingestellt hatte?

Wie konnten diese zwei Ebenen auseinanderlaufen?

Was hatte es mit diesem mentalen Zustand auf sich, mit dem ich dann anschließend meine biophysikalischen Grenzen so extrem überschreiten konnte?

Hätte ich mein Ziel erreicht und mental glücklich weiterschwimmen können, während mein Körper den „laufenden Betrieb“ erneut einstellte?

Auf diese Frage wollte ich die Antwort finden.

Das war der Beginn der Suche nach meiner Selbst-Wirksamkeit.